Während der Entwicklungsphase von Handelssystemen werden häufig Monte Carlo Simulationen (MCS) durchgeführt, bei denen historische Trades oder auch Abschnitte aus der Kapitalkurve zeitlich anders angeordnet werden.
Monte Carlo Simulationen quantifizieren das tatsächliche Risiko aus dem Trading eines Handelsansatzes realistischer als Backtests, weil jeder Backtest nur die Momentaufnahme eines bestimmten Systemverhaltens aus der Vergangenheit ist.
Das bisherige Kursverhalten wird sich in Zukunft zwar ähnlich, aber nicht in zeitlich gleicher Abfolge wie in der Vergangenheit wiederholen.
Monte-Carlo Simulationsdurchläufe zeigen viele Einzelergebnisse auf, die alle mit dem Trading des Systems hätten erzielt werden können, wäre die zeitliche Abfolge eine andere gewesen.
Am Ende jeder Monte-Carlo Simulation wird in Investox als Quintessenz zusätzlich zu allen Einzelergebnissen das kleinste Ergebnis (Min.), das größte Ergebnis (Max.) und das arithmetische Mittel aller Ergebnisse (Mittel) angezeigt.
Welches dieser drei Ergebnisse ist nun aber am besten für eine möglichst realistische Bewertung des Risikos aus dem Systemhandel geeignet ?
Um es vorwegzunehmen: Keines.
Der arithmetische Mittelwert (=einfacher Durchschnitt) kann leicht durch einige wenige besonders gute oder besonders schlechte Einzelergebnisse verfälscht werden.
Dies kann zwar in Investox teilweise dadurch kompensiert werden, dass die X größten Gewinntrades und/oder Verlusttrades bei der Monte-Carlo-Simulation unberücksichtigt bleiben. Dennoch besteht für die restlichen Ergebnisse das Problem der Verfälschung weiter.
Das schlechteste bei der Monte-Carlo Simulation erzielte Ergebnis ist oft deutlich zu konservativ um das für das Trading des Ansatzes zu allokierende Kapital zu quantifizieren. Dieses Ergebnis benennt nur den "Worst Case" aus X-Möglichkeiten, wobei X der Anzahl der durchgeführten Monte Carlo Durchläufe entspricht.
Es ist zwar für jeden Trader wichtig, auch das Worst Case-Szenario für sein System zu kennen. Die Wahrscheinlichkeit dafür, dass genau dieses Worst-Case Szenario eintritt, ist aber verschwindend gering im Vergleich zur Wahrscheinlichkeit, irgendeines der anderen Ergebnisse zu erzielen.
Was zum schlechtesten Ergebnis der Monte Carlo-Situation geschrieben wurde, gilt analog auch für das beste Ergebnis. Man würde den tatsächlichen Kapitalbedarf aus dem Trading eines Systems gravierend unterschätzen, würde man auf Basis des besten MCS-Ergebnisses den Kapitalbedarf errechnen.
Deutlich realistischere Ergebnisse kann man entweder erzielen, indem man auf den Mittelwert ein Aufgeld berechnet oder indem man den arithmetischen Mittelwert aller durchgeführten Monte-Carlo Simulationen jeweils um zwei Standardabweichungen nach oben und unten ausweitet. Das Ergebnis von mehr als 95 % aller insgesamt betrachteten Trades wird innerhalb dieser beiden Standardabweichungen liegen.
Am leichtesten lässt sich die Standardabweichung aller Monte-Carlo Ergebnisse über einen kleinen Umweg über Excel errechnen.
Zuerst wird dazu das Ergebnis der Monte-Carlo-Simulation über den Button "Kopieren" rechts neben dem Ergebnisfenster in die Windows Zwischenablahe kopiert. In eine neue Excel-Arbeitsmappe können alle Werte dann einfach mit Hilfe von "Einfügen" übertragen werden.
Excel bringt bereits folgende Funktion für die Berechnung der Standardabweichung mit:
=STABW(Zelle:Zelle)
Die Formel
=STABW(B1:B1000)
berechnet in Excel z.B. die Standardabweichung über die 1000 Einzelergebnisse einer Monte Carlo-Simulation, die in den Feldern B1 bis B1000 stehen.
Für die 1000 durchgeführten Simulationsdurchläufe des Handelssystems aus der oberen Grafik errechnet die Exel-Formel eine einfache Standardabweichung in Höhe von 1.404,41 - die doppelte Standardabweichung beträgt 2.808,82.
Der Betrag wird nun zum Mittelwert des Drawdowns aller Simulationen addiert und davon subtrahiert.
-5.021,17 - 2.808,82 = -7.829,99 = -8.000,-- EUR
-5.021,17 +2.808,82 = -2.212,35 = -2.500,-- EUR.
Mehr als 95 % aller Drawdowns werden aller Erwartung nach für dieses Handelssystem zwischen EUR 2.500,-- und EUR 8.000,-- liegen.
Die Gegenprüfung für unser Beispiel ergibt, dass von 1.000 Ergebnissen der Monte-Carlo-Simulationen nur 36 außerhalb der doppelten Standardabweichung liegen - das ist ein Anteil von 3,6 %.
Die Bestimmung des Agios auf den Mittelwert der MCS-Drawdowns mit Hilde der doppelten Standardabweichung hat sich in der Vergangenheit für viele unserer Handelssysteme als geeignet erwiesen.
Zum so errechneten Wert muss noch die benötigte Margin addiert werden, um eine realistische Account-Size für das Trading des Handelssystems bestimmen zu können.
Mindestens genauso interessant wie das zu akzeptierende Risiko ist für den Trader der zu erwartende Profit aus dem Trading eines Handelssystems.
In Investox steht bei der Monte-Carlo Simulation der Profit nicht als Einzelergebnis zur Verfügung. Das ist aber kein Manko, weil der Profit immer im Verhältnis zum Risiko bewertet werden muss. Die dafür relevante Kennzahl -das System-Verhältnis Profit / Kapitalrisiko - ist eines der Standard-Ergebnisse der MCS in Investox.
Als Orientierungswerte für ein gutes Systemverhältnis Profit-/Kapitalrisiko ( engl. Profit/Drawdown Ratio) werden in der Literatur oft Werte von 5-8 genannt.
Für die zweite Grafik beträgt die einfache Standardabweichung für das Systemverhältnis Profit/Kapitalrisiko aus Excel 5,87, die doppelte Standardabweichung ist 11,74.
Wird vom MCS-Mittelwert 16,44 die doppelte Standardabweichung subtrahiert, ergibt sich für das gezeigte Handelssystem ein realistischer Wert für die Profit/Drawdown Ratio in Höhe von nur noch 4,97.
Mit diesem vergleisweise niedrigen Ergebnis wird das betrachtete Handelssystem nur für hochkapitalisierte und mental stabile Trader langfristig leicht zu traden sein.
Abschließend noch die Kapitalkurve und die Ergebnisse des betrachteten Beispiel-Systems aus dem Backtest :
Beide Grafiken sehen auf den ersten Blick gar nicht schlecht aus, zeigen aber nur ein einziges Ergebnis aus einer Vielzahl möglicher Ergebnisse der Vergangenheit.
Diese unzähligen anderen möglichen Ergebnisse lassen sich mit Hilfe der MCS für eine möglichst realistische Einschätzung des tatsächlichen Potentials eines Handelsansatzes näherungsweise berücksichtigen.
Auch bei den Neuoptimierungen fertiger Handelssysteme ist die Durchführung einer Monte Carlo Simulation sinnvoll, weil mit ihrer Hilfe eine nachlassende Stabilität des Handelssystems früher erkannt werden kann.