Wie kann man Handelssysteme geplant und strukturiert entwickeln?
In meinen Seminaren werde ich oft gefragt, ob es eine Anleitung für die Entwicklung profitabler und robuster Handelssysteme gibt.
Zweifellos gibt es dafür so viele Anleitungen, wie Systementwickler.
Nach welcher Methode ich meine Handelssysteme gern entwickle, beschreibe ich im heutigen Blog-Artikel.
Immer wenn ich ein neues Handelssystem entwickeln möchte, definiere ich zuerst die Ziele, die es erreichen muss.
Nun kann man fragen: was gibt es da groß festzulegen - es soll einfach ein Handelssystem entstehen, das viel Geld verdient.
"Viel Geld verdienen" ist aber erstens relativ
und es ist zweitens unspezifisch.
Damit bleibt das Ziel der Entwicklung immer schwammig und es ist unklar, wann es erreicht ist.
Besser ist es, beim entwickeln neuer Handelssysteme gleich von Anfang an konkreter zu planen.
Ich setze dazu die S.M.A.R.T.-Strategie ein, die einigen von Ihnen sicherlich aus dem Projektmanagement vertraut ist.
Der Name SMART - ergibt sich aus den Anfangsbuchstaben der Begriffe
Das "viel Geld verdienen" zu unspezifisch ist hatte ich gerade schon festgestellt- aber was ist spezifisch genug?
Was ist ein passendes Ziel?
1. SPEZIFISCH
Mein Handelssystem soll
- robust sein.
- mindestens 10.000,-- EUR Nettoprofit pro Jahr und Kontrakt im Mini-FDAX erwirtschaften.
- über mindestens 7 Jahre Walk-Forward getestet sein.
- unter -15% Drawdown im Backtest ausweisen.
- keine Positionen über Nacht halten.
- ein antizyklisches System oder ein Breakout-System sein.
- Gewinn- und Verluststops haben.
Die Kunst besteht darin, sich nicht schon an dieser Stelle zu verzetteln, indem man zu enge Vorgaben macht.
Zeithorizont, Profit, maximales Risiko, Wertpapier und Art des Setup sollten festgelegt werden - darüber hinaus aber höchstens noch 1 -2 weitere Ziele.
Ich kann mit Hilfe solcher spezifischer Ziele besser erkennen, welche meiner Ideen dem Ziel voraussichtlich nicht entsprechen.
Diese kann ich verwerfen, bevor ich zuviel Zeit darin investiert habe.
2. MESSBAR
An die Messbarkeit werden ähnliche Ansprüche gestellt wie an die Spezifik.
Ein nicht messbares Ziel wäre z.B.:
Die Strategie soll den Drawdown minimieren.
Viel besser geeignet und gut messbar ist :
- Die Strategie darf nicht mehr als 15 % Drawdown auf Basis geschlossener Trades realisieren.
3. ATTRAKTIV
Attraktiv sollen die Ziele sein - das heißt anspruchsvoll aber auch erreichbar. Wenn ich sage:
"Ich möchte im Mini-FDAX jeden Tag 100 Punkte Profit machen."
dann ist das zwar spezifisch und messbar- aber nicht erreichbar.
Unrealistisch gesetzte Ziele führen zu Frustrationen.
Man muss sich hohe Ziele setzen - aber dabei trotzdem realisitisch bleiben.
4. RELEVANT
Relevant - das spielt auch wieder etwas ins "attraktive" hinein.
Man kann es am besten vielleicht so abgrenzen, dass relevant all das ist, was nicht vom eigentlichen Ziel ablenkt.
Angenommen ich würde festlegen, dass meine neu entwickelte Handelsstrategie nicht mehr als 3 Verlusttrades in Folge erlauben darf.
Das wäre zwar ganz nett aber nicht wirklich relevant für mein Ziel, ein auf lange Sicht profitables und stabiles System zu entwickeln.
Maximal 3 Verlusttrades in Folge passen zwar ganz gut auf meine Wunschliste- ein Schlüsselkriterium für das zu entwickelnde Handelssystem sind sie aber nicht.
5. TERMINIERT
Terminiert sollen meine Ziele sein- das bedeutet, dass ich mir für die Entwicklung Zeitlimits setze.
Keine Systementwicklung darf bei mir 10 Jahre dauern.
Wenn man sich zuviel Zeit gibt, läuft man nämlich leicht Gefahr immer wieder an einer Strategie zu feilen . Man ändert hier etwas und verfeinert dort etwas.
Durch zu viele Änderungen erreicht man aber oft gerade das Gegenteil – man rutscht in die Überoptimierung .
Durch die Zeitbegrenzung konzentriert man sich außerdem nicht ausschließlich auf ein System und eine Idee, sondern wendet sich nach angemessener Zeit auch wieder anderen Ideen zu.
Der Fokus soll ja auch darauf liegen, Handelssysteme neu zu entwickeln - und nicht darauf eine bestehende Handelsstrategie zu perfektionieren.
Wieviel Zeit für die Entwicklung eines neuen Handelssystems angemessen ist, hängt stark von der eigenen Erfahrung ab.
Bei mir sind es aktuell ein paar Wochen - früher waren es durchaus auch mehrere Monate.
Die Ziele für das neue Handelssystem sind mit der SMART-Methode recht schnell definiert- jetzt geht es an die Umsetzung.
Hierbei ist wichtig, dass solide und fachlich korrekt gearbeitet wird.
Wie das schönste Haus ist nicht nutzbar ist, wenn es auf Treibsand gebaut ist, ist es auch mit Handelssystemen.
Das beste Ergebnis hat keine Aussagekraft, wenn es durch Curve Fitting oder Blick in die Zukunft erreicht wird.
Nur durch das Betrachten der Kapitalkurve kann man nicht erkennen, ob ein Handelssystem fachlich richtig entwickelt wurde und nicht einschätzen, wie realistisch die Kapitalkurve ist.
Wie geht man in der Praxis vor?
Zuerst einmal ist es wichtig, für alle neu zu entwickelnden Handelsstrategien den gleichen grundsätzlichen Entwicklungsablauf zu verwenden.
Dadurch vermeidet man Verzerrungen und schafft die Basis dafür, später verschiedene Handelsstrategien miteinander zu vergleichen.
Die besten Handelssysteme kristallisieren sich außerdem zwangsläufig heraus, wenn alle Handelssysteme immer auf die gleiche Art getestet und analysiert werden.
Ein Ablaufplan hilft beim Entwickeln guter Handelssysteme
Der Ablaufplan kann natürlich von Trader zu Trader abweichen.
Das ist aber nicht von Bedeutung.
Wichtig ist, dass ein Ablaufplan für Systementwicklungen existiert und beschrieben werden kann.
Der Ablaufplan bewahrt den Trader davor, bei Entwicklung und Test neuer Systeme wichtige Punkte auszulassen oder zu vergessen.
Zielvorgaben für ein Handelssystem zu definieren und den Weg zur Umsetzung zu beschreiben ist relativ leicht.
Der Trick liegt darin, sich strikt und methodisch an die Vorgaben zu halten.
Abkürzungen führen meist zu qualitativ weniger hochwertigen Systemen, die real dann schnell versagen.
Sorgfältig entwickelte solide Handelsstrategien haben dagegen eine viel größere Chance, langfristig im Realhandel erfolgreich zu sein.